Arboretum



Lasse 20 Leute durch einen großen Garten gehen und Du wirst jede mögliche Frage ein halbes Dutzend mal beantworten müssen. Und das bitte kurz und bündig, denn der nächste Fragesteller wartet schon. Zugegeben: Das trifft nur zu, wo immer wieder größere Besucherzahlen durch den Garten gehen, ohne Vorkenntnisse über dich und deine Vorgehensweise. Oder aus Sicht der Systemtheorie: Da interagieren dann Elemente einer Gruppe mit dir und Elementen deines Denkens. Solange es nur eine Gruppe ist, ist alles in Ordnung, aber bei fünf oder sechs kleinen Gruppen (z.B. Familien) kann es ziemlich konfus werden. Da stoßen dann etliche Systemgrenzen aneinander – und du mittendrin an deine.

Aber all das Gerufen-Werden und Antworten lässt sich vereinfachen, wenn bei selteneren Gehölzen kleine Schilder die wichtigsten Informationen (über den Namen hinaus) zusammenfassen. Ein Aspekt, warum wir unseren Garten zum Arboretum machen, ist also, dass wir mit der Zeit "maulfaul" werden: Bei uns interagieren zunächst Elemente der Gruppe mit Elementen unseres Gartens (den Schildern) und nur bei Irritationen helfen wir weiter.

Aber was für einen Garten gestalten wir denn? Einen botanisch-wissenschaftlichen? Einen Wildwuchs-Garten oder "Dschungel"?

Was meinen wir mit "Arboretum"?

Ein Arboretum ist eine Sammlung lebender Gehölze, die mit einer bestimmten Absicht bewusst zusammengestellt wurde. Was dann auf Schildern steht, ist die Quintessenz aus deinem Nachdenken:
a. Was du dir dachtest beim Auswählen und Pflanzen der Gehölze.
b. Was du dir denkst, was eine Person interessieren könnte, die deinen Garten mit ganz anderen Augen sieht als du.
(„typisch“ Systemtheorie: Weil man anderen nicht in den Kopf schauen kann, bleibt letztlich nur der Rückbezug auf das, was man selber denkt.)

Wir haben uns also Gedanken gemacht, wen wir als Zielgruppe sehen: Unsere Info-Schilder wenden sich an Menschen, die an Büschen und Bäumen interessiert sind (ohne Experten zu sein), die vielleicht einen eigenen Garten haben und Anregungen suchen. Deshalb geben unsere Schilder Auskunft über Herkunft, Geschichte, Besonderheiten, ... der Gehölze.

Bei uns waren gedruckte Schilder sinnvoll (wir hatten vor Corona immer wieder bis zu 100 Personen kreuz und quer auf 3000 unübersichtlichen Quadratmetern). Wer einfacher vorgehen möchte, kann gute Ergebnisse mit lamiertem, festem Papier erzielen (unsere Erfahrungen dazu geben wir gerne weiter).

Was ist ein "Naturgarten"?

In einem Naturgarten steht die regionale Natur und wie sie sich entfaltet im Mittelpunkt. Allerdings ist dieser Begriff in der Gartenszene ideologisch aufgeladen: Manche akzeptieren als Naturgarten nur, was ausschließlich regional heimische Pflanzen zeigt. Manche lehnen ab, was nach der Rückkehr von Kolumbus neu in die Region kam: Neophyt! Noch schlim-mer: invasiver Neophyt! Besonders zu bekämpfen wären dann wohl Kartoffeln, Mais, … (ja, das ist meine ironische Kritik).

In manchen Naturgärten erschreckt mich auch der betriebene Aufwand, wenn mit Neu-Anlegen, Pflanzen, Schneiden, Düngen, Abmagern, Gießen, ... eine regionale Natur gezeigt wird, die in ihrer komprimierten Fülle in der Natur so nicht vorkäme. Es gibt Naturgärten, in denen mich über die üppige Schönheit hinaus vor allem die fleißigen Hände mit grünem Daumen beeindrucken.

Dem können wir nicht folgen, denn wir wollen nicht konservativ (bewahrend) mit immer größerem Aufwand erhalten, was regional seit Jahrzehnten besteht und sich mit dem Klimawandel ändert – ja, sich ändern muss, um zu bestehen. Das also meinen wir nicht, wenn wir unseren Garten als "naturnahen Garten" bezeichnen: Wir beobachten, wie die Natur mit unseren Impulsen umgeht, um dann selber möglichst wenig eingreifen zu müssen.

Garten-Experiment

Wir betreiben einen "experimentellen, naturnahen Garten", also einen Garten, in dem wir neugierig Dinge ausprobieren und von dem ausgehen, was regional vorhanden ist oder war. Zielrichtung unserer Neugier ist die Frage: "Wenn sich das Klima weiter ändert: Wie könnte ein naturnaher Garten in 20 oder 30 Jahren aussehen?" Das heißt, wir pflanzen heute schon jene Gehölze, von denen wir vermuten, dass sie sich erst in Jahrzehnten in Deutschland so richtig wohl fühlen (also dann, wenn die Bäume erwachsen sind).

Deshalb haben wir einen Anteil von Pflanzen aus südlichen Regionen und beobachten, wie sie sich hier entwickeln (Steineiche, Feige, Araucarie, …). Ebenso beobachten wir, wie sich alte, fast verschwundene Arten heute einfügen (Maulbeere, Speierling, Esskastanie, …). Wir achten darauf, dass sich keine Art ungezügelt ausbreitet und stellen dabei fest, dass bei uns – am konkreten Beispiel – Buddleja, Flieder oder Goji bei weitem nicht so „invasiv“ sind wie Schlehe, Sanddorn oder Hasel. Und wir legen besonderen Wert auf Pflanzen, die mindestens für einen Teil der Tierwelt (Vögel, Bienen, Käfer, ...) interessant sind.

Unser Garten ...

Wenn wir ganz ausführlich und möglichst korrekt sagen, was unser Garten ist, müsste es heißen:

Wir legen einen "experimentellen Naturgarten mit hohem (Wild-) Fruchtanteil" an. Wir werten unsere Beobachtungen systematisch aus und informieren unsere BesucherInnen darüber und über unbekanntere Gehölze und Zusammenhänge im Sinne eines Arboretums.

Du bist am Ende der Theorie komplexer Systeme für den Garten. Ich habe versucht, einfache Aspekte der Systemtheorie für Gartenfreunde darzustellen, die sich bei uns bewährt haben. Ich entfalte hier nicht eine wissenschaftliche Darstellung der Theorie komplexer Systeme, ebensowenig ersetzt dieser Text gärtnerische Kenntnisse. Dieser Text will anregen zum eigenen Entdecken von Zusammenhängen, denn: Die Theorie komplexer Systeme sagt, dass diese Zusammenhänge IMMER bestehen, oft klein beginnen und vielschichtig sind.

Vielleicht merkst Du diesen ersten Regeln an: Sie entlasten Dich - nutze die Kraft der Natur und gib ihr Impulse in die gewünschte Richtung. Unsere Empfehlung: Mache nicht vorab einen festen Plan, denn die Natur hält sich nicht an die Pläne von Menschen. Bleibe im "Flow" (Csíkszentmihályi) und entwickle Dich mit Deinem Garten: Das macht viel Spaß und jeder Gang durch den Garten wird zum Erlebnis.

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